Plakat der Ausstellung La Suisse présente la Suisse, das in mehreren Exemplaren vor dem Musée dynamique in Dakar plakatiert war. Dieser Ausstellungsbereich wurde von Jean Gabus, dem Direktor des ethnographischen Museums in Neuenburg entwickelt. ©MEN, Fotonachlass Hugentobler, P-2006-1-044_positif.

Gemeinsamer Aufbau eines postkolonialen digitalen Kulturerbes in frankophonischen Ländern

1971 fand in Dakar die grösste Kulturveranstaltung statt, die der Bund jemals auf afrikanischem Boden organisiert hat:La Suisse présente la Suisse (Die Schweiz präsentiert die Schweiz). Über verschiedenste Mittel wurde in der senegalesischen Hauptstadt die Schweiz in all ihren historischen, wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Aspekten vorgestellt.Heute interessiert sich Matthieu Gillabert, Doktor der Geschichte und Dozent im französischsprachigen Bachelor-Studiengang Geschichte der FernUni Schweiz, für die Dokumente, die um diese Ausstellung herum gesammelt wurden, um die vielfältigen Beziehungen zwischen der Schweiz und Senegal zu verstehen.Im Rahmen des von ihm geleiteten Projekts «Suisse-Sénégal, histoire en partage», das zum Teil von der FernUni Schweiz finanziert wird, wollen er und seine Kollegen diese Dokumente von ihrer Erstellung bis zu Ihrer Archivierung entschlüsseln. Insbesondere im Hinblick auf die postkolonialen Beziehungen, die sich in der Schweiz zu den entkolonialisierten Ländern zwischen den 1970er Jahren und heute entwickelt haben.

Die verborgenen Bedeutungen einer Kulturveranstaltung

Hervorgegangen ist das Projekt von Matthieu Gillabert aus einer zum ersten Mal erfolgten Partnerschaft zwischen der Haute école d’art et de design (HEAD), dem ethnographischen Museum in Neuenburg (MEN) und dem Institut fondamental d’Afrique noire (IFAN). Mit dem Ziel, die Auswirkungen der Ausstellung La Suisse présente la Suisse insbesondere über die Verbreitung von Design und Grafikdesign in Afrika zu untersuchen. Im Hinblick auf das Grafikdesign und die Museumswissenschaft konzentriert sich eine Form des «Technokolonialismus» auf die technischen und modernen Errungenschaften der Schweiz. Sie müssen den Entwicklungsstand der Schweiz belegen, der einem entkolonialisierten Land wie Senegal, das als «junge Nation» angesehen wird, voraus ist. Neben dem technischen Aspekt vermittelt diese Ausstellung auch rassenbezogene Vorstellungen. So kann man das ganz in Weiss gehaltene Plakat der Ausstellung als einen Ausdruck des Weiss-Seins in Verbindung mit der Modernität des Grafikdesigns interpretieren. Diese Ausstellung enthüllt so die Grundsatzfragen zur Schweizer und senegalesischen Identität und ihre gegenseitige Wahrnehmung. Das Ausstellungsarchiv ermöglicht es, die Aktivität der Schweiz in Senegal, die Darstellung der Schweizer Akteure in Afrika und die Erwartungen der afrikanischen Öffentlichkeit an eine solche Ausstellung nachzuvollziehen. Umgekehrt lässt sich beobachten, wie die senegalesischen Behörden solche Ereignisse als Legitimationsquelle von Macht nutzen sowohl innerhalb des Landes als auch gegenüber anderen afrikanischen Ländern.

Die Vorteile der Archivierung

Das «koloniale Erbe» und seine Herkunft werden in wissenschaftlichen Kreisen und Kulturinstituten heiss diskutiert. Tatsächlich werden die Sammlungen vor und nach dem Prozess der politischen Unabhängigkeit zusammengestellt. Sie stellen auch eine Herausforderung hinsichtlich der Mittel dar, die eingesetzt werden, um sie wieder zugänglich zu machen, ob nun durch Rückgabe oder Digitalisierung. Im Rahmen von La Suisse présente la Suisse wurden fast 7000 Dokumente (audiovisuelle und Papierarchive, Modelle, Fotografien, Gespräche) durch die Partnerschaft HEAD/MEN/IFAN digitalisiert.

Kann die Analyse dieser Dokumente die Rolle aufzeigen, die diese Ausstellung in der Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Afrika gespielt hat? Kann der Archivierungsprozess ein Machtverhältnis aufzeigen? Archive einer Veranstaltung wie der Ausstellung La Suisse présente la Suisse, geordnet in einem Inventar, das den westlichen erkenntnistheoretischen Anforderungen genügt, leisten einen Beitrag zur Verankerung dieser vergangenen Veranstaltung in einer Sichtweise des Nordens auf den Süden. So tragen sie auch zum Aufbau einer Beziehung mit dem Anderen bei. Aus diesem Grund werden Matthieu Gillabert und die Teilnehmenden des Projekts versuchen vorzubereiten, wie diese Dokumente, die einen wichtigen Teil dieser zusammenhängenden Geschichte darstellen, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.

Ein Projekt, durch das sich die FernUni Schweiz positioniert

Mit dieser Forschungsarbeit nimmt die FernUni Schweiz bei der Nutzung von Digital Humanities zu pädagogischen Zwecken eine Führungsposition ein, vor allem in den besonders innovativen Bereichen der Patrimonialisierung und der Herkunft sowie der Kulturgeschichte der internationalen Beziehungen. Für die Geschichtswissenschaft ist diese Studie äusserst wertvoll, da sie die Möglichkeiten und auch die Grenzen der digitalen Technologie in den Bereichen der Kreuz- und Weltgeschichte hinterfragt. Sie könnte Wege aufzeigen, bei denen die digitale Technologie dazu beiträgt, sich mit den Beziehungen in der postkolonialen Welt auseinanderzusetzen. Neben einer Zusammenarbeit zwischen Schweizer und senegalesischen Historikern/-innen ermöglicht dieses Projekt der FernUni Schweiz insbesondere eine Partnerschaft mit der HEAD sowie mit anderen Institutionen, die in der Forschung über La Suisse présente la Suisse tätig sind.

 

Projektübersicht

Bezeichnung: Suisse-Sénégal, histoire en partage (Schweiz – Senegal, gemeinsame Geschichte). Gemeinsamer Aufbau eines postkolonialen digitalen Kulturerbes in frankophonischen Ländern
Fakultät: Geschichte
Leiter: Matthieu Gillabert, FernUni Schweiz
Co-Autorinnen und -Autoren: Flurina Felix (Universität Basel) et Ndiouga Diagne (Universität Cheikh Anta Diop in Dakar)
Dauer: April bis Dezember 2021
Finanzierung: Von der FernUni Schweiz unterstütztes Projekt
Ziele: Einen Beitrag zu einer postkolonialen Geschichte der Beziehungen zwischen Senegal und der Schweiz zu leisten; Reflexion über die Digitalisierung von Archiven als Mittel, um Dokumente in entkolonisierten Ländern der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

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