Aufmerksamkeitskontrolle, Aufmerksamkeitssteuerung und exekutive Funktionen sind unterschiedliche Begriffe, die sich allgemein auf die FĂ€higkeit beziehen, unsere Gedanken sowie Handlungen zu ĂŒberwachen und zu steuern, um unsere aktuellen Ziele zu erreichen. Diese FĂ€higkeit zur Kontrolle bzw. Steuerung gilt als wesentlich, da sie es uns ermöglicht, uns schnell und flexibel an VerĂ€nderungen in unserer Umgebung anzupassen. Das Verstehen der Aufmerksamkeitskontrolle wird daher als zentrale Voraussetzung fĂŒr das VerstĂ€ndnis des menschlichen Verhaltens betrachtet.
Wozu ist es nĂŒtzlich, zu verstehen, wie Menschen ihre Aufmerksamkeit steuern und in welchen Situationen dieser Prozess erfolgreich aktiviert wird?
Könnten Sie uns hierzu ein konkretes Beispiel nennen?
Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Auto nach Hause. Da Sie den Weg kennen, fahren Sie zwar zĂŒgig, aber sicher. So können Sie langsamer fahren, wenn Sie sich einer roten Ampel nĂ€hern. Wenn Sie jedoch einen Polizisten an der Kreuzung sehen, sind Sie in der Lage, die rote Ampel zu ignorieren und den Anweisungen des Polizisten zu folgen. Der entscheidende kognitive Prozess hinter einer solchen AnpassungsfĂ€higkeit ist die Aufmerksamkeitskontrolle. Diese ermöglicht es Ihnen, selbst dann, wenn eine Ablenkung (z. B. durch die rote Ampel) vorliegt, die fĂŒr Ihr Ziel relevanten Informationen (d. h. die Anweisungen des Polizisten, um schnell und sicher nach Hause zu kommen) zu erfassen. Im Labor werden diese Situationen extrem vereinfacht. Eine hĂ€ufig verwendete Messung ist der «Stroop-Effekt». Um diesen Effekt zu messen, werden Farbwörter farbig geschrieben. Dabei wird das Wort «grĂŒn» beispielsweise in roter Farbe geschrieben. Die Teilnehmenden mĂŒssen nun die Farbe, in der das Wort geschrieben ist, benennen und dabei die Bedeutung des Wortes ignorieren. Im Beispiel des rot dargestellten Wortes «grĂŒn» lautet die richtige Antwort also «rot». Der «Stroop-Effekt» beschreibt die Tatsache, dass man lĂ€nger braucht, die richtige Antwort zu geben, wenn das Wort «grĂŒn» in roter Farbe dargestellt ist, als wenn das Wort «rot» in roter Farbe dargestellt ist.
Wie sind Sie auf die Idee fĂŒr dieses Projekt gekommen?
In meinen frĂŒheren Studien habe ich die Grenzen der typischen Messungen von Aufmerksamkeitskontrolle, wie z. B. des «Stroop-Effekts», aufgezeigt. Diese Messungen weisen einen Mangel an ZuverlĂ€ssigkeit und/oder ValiditĂ€t auf. Der Mangel an ZuverlĂ€ssigkeit bedeutet, dass die Ergebnisse bei der gleichen Person bei verschiedenen DurchfĂŒhrungen stark variieren können. So kann der «Stroop-Effekt» bei derselben Person in einem Moment stark und nur wenige Augenblicke spĂ€ter schwach ausgeprĂ€gt sein. Der Mangel an ValiditĂ€t bezieht sich darauf, dass die bisher durchgefĂŒhrten Messungen zur Untersuchung der Aufmerksamkeitskontrolle es nicht erlauben, diesen kognitiven Prozess genau zu messen. Beim «Stroop-Effekt» ist es beispielsweise schwierig, die Aufmerksamkeitskontrolle von anderen Prozessen wie der Geschwindigkeit, mit welcher Farbwörter verarbeitet werden, zu isolieren. Wenn mehrere Aufgaben zur Messung der Aufmerksamkeitskontrolle angewandt werden, korrelieren diese Messungen zudem nicht. Dies macht deutlich, dass diese Aufgaben nicht den gleichen kognitiven Prozess messen, wodurch sich die Frage stellt, welchen Prozess sie also tatsĂ€chlich messen.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, wie schwierig es ist, die Aufmerksamkeitskontrolle zuverlĂ€ssig und valide zu messen. Weit wichtiger ist es jedoch, die GrĂŒnde fĂŒr diese mangelnde ZuverlĂ€ssigkeit und ValiditĂ€t zu verstehen. Das Ziel dieses Forschungsprojekts ist, diese GrĂŒnde zu bestimmen. Auf diese Weise kann festgestellt werden, ob zuverlĂ€ssige und valide Messungen etabliert werden können oder ob man sich von diesem Konzept verabschieden muss, um interindividuelle Unterschiede, wie den altersbedingten kognitiven Abbau oder den kognitiven Vorteil zweisprachiger Menschen, zu erklĂ€ren.
Weshalb ist es so schwierig, die Aufmerksamkeitskontrolle zu messen?
Die Messung der Aufmerksamkeitskontrolle ist schwierig, weil die dafĂŒr ĂŒblicherweise verwendeten Aufgaben nicht nur diesen kognitiven Prozess, sondern eine Vielzahl von Prozessen messen. Betrachten wir das Beispiel der Aufgabe zur Messung des «Stroop-Effekts». Bei dieser Aufgabe nehmen wir zunĂ€chst das gezeigte Wort wahr. Anschliessend verarbeiten wir seine Farbe und seine Bedeutung, wodurch die farbbezogene sowie die bedeutungsbezogene Antwort aktiviert werden. In diesem Moment sollte die Aufmerksamkeitskontrolle ins Spiel kommen und dafĂŒr sorgen, dass wir die richtige Antwort auswĂ€hlen, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf die Farbe des Wortes richten und seine Bedeutung ignorieren. Schliesslich fĂŒhren wir die gewĂ€hlte Antwort aus, d. h. wir sprechen sie aus. Um die Aufmerksamkeitskontrolle messen zu können, muss man folglich diesen kognitiven Prozess von allen anderen Prozessen isolieren, indem man beispielsweise einen strengen experimentellen Ansatz, fortgeschrittene statistische
Analysen oder eine Kombination beider anwendet.
Welche Arten von Experimenten werden Sie durchfĂŒhren, um die Ziele Ihres Forschungsprojekts zu erreichen?
Das Projekt umfasst mehrere Forschungsschwerpunkte. Einer davon ist die Frage, ob die Schwierigkeit, zuverlĂ€ssige und valide Messungen der Aufmerksamkeitskontrolle zu etablieren, auf die Vielfalt der verwendeten Aufgaben zurĂŒckzufĂŒhren ist. Im Vergleich zu anderen kognitiven Prozessen unterscheiden sich die Aufgaben zur Messung der Aufmerksamkeitskontrolle in ihren Anweisungen und in der Art und Weise, wie die Aufmerksamkeitskontrolle initiiert wird. Bei einem weiteren Forschungsschwerpunkt geht es darum, zu verstehen, inwieweit die bisher angewandten Messungen von anderen kognitiven Prozessen wie dem GedĂ€chtnis sowie der Verarbeitungsgeschwindigkeit und von der intraindividuellen VariabilitĂ€t kognitiver Prozesse beeinflusst werden.
Dr. Alodie Rey-Mermet
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Dr. Alodie Rey-Mermet ist seit 2020 Postdoc an der FakultĂ€t Psychologie. Sie beschĂ€ftigt sich vor allem mit der Funktionsweise der Aufmerksamkeitskontrolle, d. h. mit der FĂ€higkeit, unsere Gedanken und Handlungen zu ĂŒberwachen sowie zu steuern, um unsere Ziele zu erreichen. Dr. Alodie Rey-Mermet ist ausserdem Lehr- und Forschungsassistentin der Forschungsgruppe fĂŒr experimentelle Psychologie und kognitive Neurowissenschaften. Sie lehrt Psychologie in den deutschsprachigen Bachelor-und Master-StudiengĂ€ngen.
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PhD or postdoc position in psychology in the domain of affective sciences (50-75%)
Psychologie Weiterlesen
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