• Psychologie

Tobias Brosch, Professor für Psychologie an der Universität Genf, war einer der Gäste der 18. Konferenz der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie, organisiert von der FernUni Schweiz in Crans-Montana. In seinem Vortrag beleuchtete er die zahlreichen psychologischen Hürden bei der Einführung nachhaltiger Verhaltensweisen, die jedoch für den Schutz unseres Planeten unerlässlich sind. Ein Gespräch.

Prof. Brosch interessiert sich für die kognitiven, affektiven und sozialen Mechanismen, die unsere umweltbezogenen Entscheidungen beeinflussen. Er arbeitet aktiv mit politischen Entscheidungsträgern zusammen, um Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaften in die Nachhaltigkeitspolitik zu integrieren, und schlägt damit eine Brücke zwischen Wissenschaft und Politik. Eine komplexe und mühsame, aber angesichts der Klimakrise notwendige Aufgabe.

Wir haben ihn kurz nach seiner Konferenz mit dem Titel «How psychology can contribute to sustainable development» (Wie die Psychologie zum nachhaltigen Wandel beitragen kann) getroffen, die im Rahmen der 18. Ausgabe der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie (7.–9. September in Crans-Montana) von der Fakultät für Psychologie der FernUni Schweiz organisiert wurde.

Prof. Brosch, in den letzten Jahren hört man immer häufiger von Nachhaltigkeit: grĂĽne Energie, verantwortungsvolle Ernährung etc. Aber was bedeutet es konkret, ein nachhaltiges Verhalten zu ĂĽbernehmen? 

Ein nachhaltiges Verhalten zielt darauf ab, die eigenen BedĂĽrfnisse zu befriedigen und gleichzeitig die Ressourcen fĂĽr kommende Generationen zu erhalten. Es geht um ein Gleichgewicht zwischen persönlichem Wohlbefinden und kollektiver Verantwortung. 

 

Wie zeigt sich das im Alltag? 

Nehmen wir ein Beispiel: Ich bin sehr mobil und reise gerne. Ich möchte mich nicht nur auf Ferien in der Schweiz beschränken, sondern ferne Länder entdecken. Aber das wirft Fragen in Bezug auf Nachhaltigkeit auf: Ab wann wird meine Reisetätigkeit exzessiv? Ab wann schadet sie anderen, insbesondere kĂĽnftigen Generationen? 

 

Welche Herausforderungen mĂĽssen gemeistert werden, um nachhaltige Verhaltensweisen im Alltag zu verankern? 

Zunächst gilt es, die unbestreitbaren Fortschritte anzuerkennen, die bereits erzielt wurden. Doch die Herausforderung bleibt riesig: Die BemĂĽhungen sind noch nicht flächendeckend. Allzu oft werden Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben: die Politik verweist auf die Industrie, die Industrie auf die Politik – ein Teufelskreis. Jeder muss sich seiner Rolle in dieser Transformation bewusst werden. 

 

Warum ist es so schwer, nachhaltige Verhaltensweisen anzunehmen? 

Die Menschheitsgeschichte zeigt eine ständige Spannung zwischen der unmittelbaren BedĂĽrfnisbefriedigung und einer längerfristigen Planung. Im Steinzeitalter musste Homo sapiens schnell handeln, um zu ĂĽberleben. Heute, mit neun Milliarden Menschen auf der Erde, bewegen wir uns in einem wesentlich komplexeren System, in dem Konsum allgegenwärtig ist. Angesichts der Ressourcenerschöpfung und der Klimakrise wird eine langfristige Perspektive jedoch unverzichtbar. Dieser Ăśbergang fällt uns schwer, weil er unseren tief verankerten Instinkten widerspricht. 

 

Sie haben in Ihrem Vortrag erwähnt, dass Psychologie allein nicht ausreicht. Mit welchen anderen Disziplinen sehen Sie fruchtbare Zusammenarbeit? 

Die Psychologie ist eine SchlĂĽsseldisziplin, sollte aber ihre Komfortzone verlassen. Eine Zusammenarbeit mit den Umweltwissenschaften könnte z.B. helfen, technische Zusammenhänge besser zu verstehen (etwa: Wie funktionieren Energiesysteme?). Durch ein solches Verständnis könnte die Psychologie gezielter herausarbeiten, wo Verhaltensänderungen möglich sind. Auch Soziologie und Politikwissenschaften spielen eine entscheidende Rolle. In einer Demokratie geht Veränderung ĂĽber die Wahl von Personen, die diesen Wandel vorantreiben können. 

 

Es bleibt also noch viel zu tun… 

Ja, und der Mangel an Information ist ein zentrales Hindernis. Wenige Menschen wissen, welche Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit wirklich am wirksamsten sind. WĂĽrden wir es wissen, entstĂĽnde Unbehagen. Beispiel: Ich recycle meine Joghurtbecher, esse einmal pro Woche ein Steak und fliege alle zwei Monate. Studien sind eindeutig: Der Verzicht auf Flugreisen ist ein besonders wirksames Mittel gegen die Klimaerwärmung. Dennoch fällt es uns schwer, darauf zu verzichten. Auf emotionaler und motivationaler Ebene fällt es dem Menschen schwer, von Gewohnheiten loszulassen. 

18. Konferenz der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie in Crans-Montana: «Ein gelungener Auftritt für die Fakultät Psychologie der FernUni Schweiz»

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