Eine neue Dynamik im Klimabereich zeichnet sich ab. Nicolas Bueno, Professor für Völkerrecht und Spezialist für die Verantwortung multinationaler Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit, betont dies in einem Artikel in Le Temps: «Wir bewegen uns von einer Situation, in der die Klimaverantwortung so stark verdünnt ist, dass niemand verantwortlich ist, hin zu der Idee einer geteilten Verantwortung.» Er verweist damit auf den Fall Holcim, den Zuger Zementhersteller und einen der weltweit grössten CO₂-Emittenten. Bewohner einer indonesischen Insel werfen dem Konzern vor, den Klimawandel anzuheizen. Sie berichten von immer häufigeren Überschwemmungen sowie steigenden Wassertemperaturen, die ihre Fischzucht bedrohen. Vor dem Zuger Gericht läuft aktuell eine Zivilklage.
Einen ähnlichen Fall gab es kürzlich in Deutschland: Dort musste sich der Energiekonzern RWE für die Folgen seiner CO₂-Emissionen im Zusammenhang mit dem Schmelzen eines Gletschers in Peru verantworten. Im Frühjahr wies das Gericht die Klage ab, da sich die Kausalität zwischen dem Gletscherrückgang und den Schäden am Eigentum des Klägers nicht ausreichend belegen liess. «Das Gericht hat aber dennoch das Prinzip bestätigt, dass ein CO₂-emittierendes Unternehmen den Schaden wiedergutmachen muss, den es verursacht», so Prof. Dr. Nicolas Bueno.
Eine Datenbank der Columbia University in New York listet weltweit rund tausend klimabezogene Verfahren, davon etwa zwanzig in der Schweiz. Die meisten betreffen Greenwashing-Fälle oder innerstaatliche Verfahren. Im vergangenen Jahr wurde die Schweiz zudem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Untätigkeit im Klimaschutz verurteilt – nach einer Klage des Vereins Verein KlimaSeniorinnen Schweiz. «Bei Staaten ist es einfacher, Verantwortung festzustellen, weil die Regeln klarer sind», erklärt Nicolas Bueno. Er verweist dabei auf das Pariser Klimaabkommen, das ausschliesslich Staaten in die Pflicht nimmt.