Prof. Dr. Michael Kurschilgen, Assistenzprofessor an der Fakultät Wirtschaft, untersucht, wie institutionelle Rahmenbedingungen – Steuern, Transparenz, Bildungschancen – unsere Entscheidungen beeinflussen und dadurch das Erreichen wünschenswerter sozialer Ergebnisse fördern oder erschweren.

Unsere hoch spezialisierten Volkswirtschaften stützen sich auf ein komplexes Bündel von Erwartungen und Wahrnehmungen, die unser Verhalten bestimmen.

  • Unsere Bereitschaft, wissenschaftlichem Rat zu vertrauen, hängt von der Erwartung ab, dass diese Expertinnen und Experten keine versteckten Ziele verfolgen.
  • Unsere Bereitschaft, Steuern zu bezahlen, hängt von der allgemeinen Erwartung ab, dass die Regierung kompetent und nicht korrupt ist.
  • Unsere Bereitschaft, das Eigentum einer anderen Person zu respektieren, hängt davon ab, dass die Zuteilung von Eigentumsrechten weitestgehend als legitim und fair wahrgenommen wird.

Als Individuen sind wir meist einer grossen Unsicherheit über das Verhalten unserer Mitmenschen ausgesetzt. Wir suchen daher nach Anhaltspunkten, die uns helfen, diese Unsicherheit zu reduzieren. Institutionelles Design kann dabei einen grossen Unterschied machen.

Typischerweise abstrahiere ich komplexe
Entscheidungsprobleme mithilfe von
(verhaltensorientierter) mikroökonomischer
Theorie und teste die daraus resultierenden
theoretischen Vorhersagen in Laboroder
Feldexperimenten.

Prof. Dr. Michael Kurschilgen

Durch die sorgfältige Erstellung von kontrafaktischen Situationen kann Prof. Dr. Michael Kurschilgen im Experiment kausale Erkenntnisse für Forschungsfragen (z. B. Wie beeinflusst Ungleichheit die freiwillige Achtung von Privateigentum?) gewinnen, die in der Realität – mangels exogener Variation – nicht kausal beantwortet werden können.

Der Forschungsbereich von Prof. Dr. Michael Kurschilgen liegt an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Psychologie und Recht. Aktuell befasst er sich insbesondere mit den Themen Ungleichheit, Identität und Konsumverhalten.

Distorted Beliefs and Consumers’ Carbon Emissions: Ein aktuelles Forschungsprojekt

Der Klimawandel ist eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Der Weltklimarat (IPCC) schätzt, dass menschliche Aktivitäten seit der industriellen Revolution zu einem Anstieg der globalen mittleren Oberflächentemperatur um etwa 1,0 °C geführt haben. Um zu verhindern, dass die globale Erwärmung 2,0 °C übersteigt und sowohl natürliche als auch menschliche Systeme gefährdet, müssen die Kohlenstoffemissionen erheblich reduziert werden. Daher versuchen die Regierungen weltweit, wirksame politische Massnahmen zu ergreifen. 

Auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind zunehmend besorgt über den Klimawandel. Doch obwohl zahlreiche Studien nahelegen, dass wir unsere Konsumgewohnheiten ändern möchten, besteht eine erhebliche Kluft zwischen der erklärten Bereitschaft und dem tatsächlichen Verhalten.

Im aktuellen Forschungsprojekt Distorted Beliefs and Consumers’ Carbon Emissions untersucht Prof. Dr. Michael Kurschilgen – gemeinsam mit Prof. Dr. Sebastian Goerg (TU München) und Christoph Drobner (FernUni Schweiz / TU München) – wie verzerrte Erwartungen über unseren CO2-Fussabdruck unser Konsumverhalten beeinflussen.

Förderungsbeitrag für dieses Forschungsprojekt

CHF 33’650 von der Diligentia Stiftung für empirische Forschung

Ein quantitativer Ansatz

Das Forschungsteam verfolgt bei dieser Studie einen quantitativen Ansatz, der mikroökonomische Theorie mit Umfragen, Laborexperimente und Feldexperimenten kombiniert. Das Ziel ist, die Annahmen und Vorhersagen eines verhaltensökonomischen Modells zu testen, mit dessen Hilfe man die Effektivität verschiedener politischer Massnahmen (z. B. einer CO2-Steuer) bewerten kann.

Umfrageexperiment
In einem Umfrageexperiment mit einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung, untersuchen die drei Ökonomen die Hypothese, dass Personen, für die eine Reduktion ihres CO2-Konsums besonders schmerzhaft oder lästig wäre (z. B. weil ihnen der Umstieg von Auto auf öV viel Zeit kosten würde), zu besonders verzerrten Erwartungen über ihren tatsächlichen CO2-Fussabdruck neigen.

Laborexperiment
Das Laborexperiment testet den Effekt von Preisen auf (verzerrte) Erwartungen und Konsumverhalten. Laut ökonomischer Theorie ist der Nutzen der Selbsttäuschung (d. h. der Verzerrung der Erwartungen des eigenen CO2-Fussabdrucks) umso grösser, je niedriger der Preis eines Gutes ist. Konsumentinnen und Konsumenten sollten zudem umso elastischer auf eine Preisänderung reagieren, je mehr Spielraum sie für verzerrte Erwartungen haben. Im Labor können die Forschenden sowohl die Preise für CO2-intensive Konsumgüter (z. B. Avocado, Kaffee, Schokolade) als auch den Spielraum für opportunistische Selbsttäuschung exogen variieren.

Feldexperiment
«Je höher mein Schuldempfinden ist, desto schlechter schmeckt mir das Schnitzel».
In einem Feldexperiment in Universitätsmensen testet das Forschungsteam, wie sich unterschiedliche Aufklärungskampagnen auf den Fleischkonsum von Studierenden auswirken. Die Forschenden variieren dabei, ob die Kampagnen den CO2-Fussabdruck der eigenen sozialen Gruppe (z. B. Internet-Streaming) oder den einer anderen sozialen Gruppe in den Vordergrund stellen (z. B. Kreuzfahrten).

Politische Implikationen
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sollen politischen Entscheidungsträgern dabei helfen, zu verstehen, wie die Fehleinschätzungen der Menschen bezüglich ihres CO2-Fussabdrucks mit ihren individuellen Präferenzen und Lebensumständen interagieren. Wenn opportunistische Erwartungen tatsächlich zu einer grösseren Preiselastizität der Nachfrage beitragen, würde dies bedeuten, dass politische Instrumente, die den Preis für CO2-intensive Produkte erhöhen (z. B. eine CO2-Steuer), die Nachfrage nach diesen Produkten noch effektiver reduzieren können als bislang geglaubt. Distorted Beliefs and Consumers’ Carbon Emissions: Ein aktuelles Forschungsprojekt Ein quantitativer Ansatz Forschung 19

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