Manch eine Studentin und manch ein Student mag sich in der Prüfungsvorbereitung wünschen, im Schlaf lernen zu können – mühelos und ohne Zeit zu investieren. Wäre es nicht praktisch, wenn wir, ausgestattet mit Kopfhörer und Hörbuch-Version des Lehrmittels, den Nachtschlaf zur Studienzeit erklären könnten? Am nächsten Tag würden wir, ausgeruht und mit neuem Wissen ausgestattet, aufwachen und für die Prüfung bereit sein.

Lange ging man davon aus, dass das Gehirn, insbesondere im Tiefschlaf, aktiv die Verarbeitung von äusseren Reizen unterbindet. Die vorherrschende Lehrmeinung war, dass nur ein Reiz, der die Person aufweckt, auch erarbeitet werden kann. Also schlechte Voraussetzungen für das «Schlaflernen».

Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, insbesondere von Dr. Simon Ruch, Postdoc an der FernUni Schweiz, legen jedoch nahe, dass diese Ansicht überholt ist.

Besteht somit Hoffnung, dass die Nacht doch zu Studienzwecken genutzt werden kann?

Die Arbeiten von Dr. Simon Ruch und Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass Menschen im Schlaf tatsächlich völlig neue Dinge, wie beispielsweise Vokabeln, lernen können. In ihren Studien haben sie den Teilnehmenden im Tiefschlaf Wörter einer Fantasiesprache, gepaart mit der deutschen Übersetzung (z. B. Guga – Vogel), über Kopfhörer dargeboten. Die Studienteilnehmenden konnten nach dem Erwachen tatsächlich korrekte Angaben über die im Schlaf gehörten Fantasiewörter machen. Dies, obwohl sie sich nicht an die Wörter erinnern konnten und überzeugt waren, die Ausdrücke noch nie zuvor gehört oder gesehen zu haben.
Beispielsweise konnten die Personen korrekt erraten, ob es sich bei den Fantasiewörtern (z. B. Guga), um ein grosses oder ein kleines Objekt handelt, oder ob die Wörter ein Werkzeug, ein Tier oder einen Ort bezeichnen.

Allerdings wurde der anfängliche Enthusiasmus über die entdeckte Lernfähigkeit des schlafenden Gehirns durch einige ernüchternde Einsichten getrübt:

  1. Das im Schlaf erworbene Wissen ist nicht bewusstseinsfähig, d. h. die Personen sind sich ihrem Wissensgewinn nicht bewusst.
  2. Lernen im Schlaf scheint nur in bestimmten kurzen Zuständen des Gehirns zu funktionieren, wenn das Gehirn gerade aufnahmefähig ist. Diese Zustände dauern nur ca. ½ Sekunde an und können ausschliesslich mittels Hirnstrommessungen erkannt werden. Eine Anwendung zu Hause ist daher schwierig zu verwirklichen.
  3. Die Lerneffekte sind klein. So werden unter optimalen Bedingungen nur ca. 10 % der im Schlaf gehörten Informationen abgespeichert.
  4. Unter gewissen Umständen kann das Lernen im Schlaf sogar das bewusste Neu-Lernen derselben Information nach dem Erwachen hemmen; als ob das Gehirn die zuvor im Schlaf gelernten Informationen unterdrücken würde. Der Versuch, sich schlafend einen Lernvorteil zu verschaffen, könnte demnach sogar das Gegenteil bewirken: eine schlechtere Lernleistung am nächsten Tag.

Was bedeutet das in der Praxis?

Ab ins Bett, Podcast an, Kopfhörer rein? Eher nein.

Aktuell scheint keine praktische Anwendung in Sicht, die sich die Lernfähigkeit des schlafenden Gehirns zunutze macht. Dennoch sind die Befunde wichtig: Sie zeigen erneut, wie relevant eine gute Schlafhygiene ist. Vor dem Fernseher einzuschlafen oder sich mit Kopfhörer und Podcast ins Bett zu legen kann nicht nur die Schlafqualität und damit die Erholung in der Nacht beeinträchtigen, sondern auch nachhaltige Auswirkungen auf unser Gedächtnis und unser Wissen haben.

Dr. Simon Ruch, Postdoc – Fakultät Psychologie

Simon, gibt es denn nichts, was wir tun können, um im Schlaf unser Gedächtnis zu verbessern?

Vielleicht doch! Zahlreiche Hinweise belegen, dass die regelmässigen Klickgeräusche (ca. ein Klicken pro Sekunde) die für den Tiefschlaf typischen langsamen Gehirnwellen verstärken können. Diese Verstärkung der Schlafwellen hilft dem schlafenden Gehirn, am Vortag Gelerntes zu verfestigen und abzuspeichern. Die Verfestigung von Gelerntem im darauffolgenden Nachtschlaf kann weiter gefördert werden, indem dem Gehirn in der Nacht die zuvor gelernten Inhalte mittels Gerüche oder Geräusche in Erinnerung gerufen werden. Studien haben gezeigt, dass wenn wir im Tiefschlaf Geräusche oder Gerüche wahrnehmen, die zuvor auch beim Lernen zugegen waren, können wir uns am Folgetag besser an das Gelernte erinnern.

Nehmen wir also statt Kopfhörer und Podcast besser ein Metronom mit ins Bett, oder den Kaffeebecher, der uns an den Geruch beim Lernen im Restaurant erinnert?

Auch hier gilt: Noch ist keine dieser Methoden zur Steigerung der Gedächtnisfunktion im Schlaf wirklich reif für eine Anwendung in der Praxis. Bis auf Weiteres empfiehlt es sich daher, altbewährte Rezepte zu beherzigen, um die gedächtnisfördernden Funktionen im Schlaf zu nutzen:

  • regelmässig und ausreichend schlafen
  • verteilt über mehrere Tage hinweg lernen, um von Schlafzyklen zwischen den Lernepisoden zu profitieren
  • jeweils vor dem Zubettgehen, als letzte Handlung, erneut den Lernstoff repetieren.

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