Ein wesentlicher Teil der Arbeit von Historikerinnen und Historikern besteht darin, historischen Perioden Bedeutung zu verleihen. 2019 schien die «grüne Welle» ein zunehmendes Bewusstsein für Klimafragen anzukündigen, während die politischen Verpflichtungen heute eher stagnieren. Überrascht Sie diese Kehrtwende?
SP: Die Umweltgeschichte stellt die Vorstellung infrage, wir hätten lange Zeit unwissentlich verschmutzt und erst ab den 1970er-Jahren erkannt, dass es Probleme gibt – und begonnen, sie durch Grenzwerte oder neue grüne Technologien zu lösen. Zusammen mit meiner Kollegin Tiphaine Robert zeigen wir, dass die Giftigkeit von Blei bereits in den 1920er Jahren bekannt war. Die Schweiz verbot zunächst bleihaltiges Benzin, hob das Verbot aber 1947 unter Einfluss der Industrie und internationaler Normen wieder auf. Sobald eine schädliche Substanz einmal breit genutzt wird, ist es ausgesprochen schwierig, diesen Einsatz wieder rückgängig zu machen.